Kinder bei Krankheit in der Familie gut begleiten - Was Eltern tun können

Eine schwerwiegende Krankheit innerhalb der Familie kann sich auf alle Familienmitglieder auswirken, insbesondere jedoch auf Kinder und Jugendliche. Wenn ein Elternteil oder ein Geschwisterkind an einer chronischen oder lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, kann dies eine große Belastung für Kinder und Jugendliche darstellen. Sie müssen nicht nur mit der emotionalen Belastung und Unsicherheit umgehen, sondern auch damit zurechtkommen, dass sich der Alltag und die Aufgaben und Beziehungen innerhalb der Familie verändern. Die Auswirkungen können von Kind zu Kind unterschiedlich sein. Es ist für Eltern daher wichtig sich darüber zu informieren, was Kindern  nun helfen kann.

6 Tipps um Kinder zu unterstützen, wenn in der Familie jemand schwer krank ist

Sie als Eltern können dabei eine große Rolle spielen und haben beste Chancen Ihr Kind in dieser schwierigen Situation zu unterstützen. Wir möchten Ihnen im Folgenden einige Tipps mit auf den Weg geben.

Tipp 1: Wissen ist Macht! Und noch viel mehr… Über die Krankheit sprechen

Helfen Sie Ihrem Kind, die Krankheit, deren Auswirkungen und Veränderungen im Familienleben zu verstehen. Kinder und Jugendliche stellen sich viele Fragen und suchen sich Antworten. Sie als Elternteil können am besten und aus erster Hand diese Fragen altersgerecht beantworten und so eine Kontrolle erlangen, welche Bilder, Gefühle und Aussichten bei ihrem Kind entsteht. Versuchen Sie dabei ehrlich zu bleiben und nichts zu beschönigen, was Sie nicht selbst ehrlich vertreten können. Kinder spüren Widersprüche und malen sich dann selbst Bilder im Kopf, die oft schlimmer sind als die Wirklichkeit. 

Machen Sie sich klar, dass Ihr Kind von Ihnen und ggf. Ihrem Partner die Krankheitsverarbeitung lernt. Das bedeutet: wird in der Familie kaum oder nur sehr beschönigend über die Erkrankung gesprochen, denken viele Kinder, dass ihre Sorgen bezüglich der Krankheit nicht geäußert werden dürfen. Eine offene und ehrliche Kommunikation über die Krankheit und ihre Auswirkungen auf den Familienalltag dagegen bestärken Ihr Kind darin, eigene Sorgen und Gedanken zu äußern und auf eigene Bedürfnisse und Wünsche aufmerksam machen zu dürfen. Und: Wenn Sie sich Hilfe und Beratung suchen, wenn Sie selbst nicht weiterwissen, lernt Ihr Kind, dass es in Ordnung ist sich Hilfe zu holen und wird vermutlich nicht alle Sorgen mit sich selbst ausmachen.

Auch für das Vertrauensverhältnis zu Ihrem Kind ist es wichtig, dass Sie Ihrem Kind offen und ehrlich Auskunft geben. Wenn Ihr Kind wichtige Informationen über Ihre Krankheit erst von anderen Menschen außerhalb der Familie erfährt, kann sich Ihr Kind belogen oder hintergangen fühlen und das Gefühl bekommen, dass es sich nicht auf Ihre Informationen verlassen kann.

Hilfestellungen zum altersgerechten informieren über die Krankheit finden Sie in unserer Rubrik: Über Krankheit mit Kindern reden.

Tipp 2: Wünsche der Kinder erfragen und ernst nehmen

Viele Kinder und Jugendliche stellen eigene Bedürfnisse hinten an, wenn in der Familie jemand schwer krank ist und Hilfe benötigt. Sie wollen nicht noch mehr „Stress“ verursachen. Dieses gut gemeinte Verhalten kann aber auf Dauer dazu führen, dass Kinder verlernen, auf die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu achten. Dann ist es für Eltern schwer wahrzunehmen, wie es dem Kind wirklich geht und was es eigentlich möchte.

Achten Sie deshalb darauf, dass Ihr Kind eigene Wünsche und Gefühle nicht zurückstellt. Das können Sie zum Beispiel tun, indem Sie erklären, dass in der Familie trotz der Krankheit Platz für die Wünsche und auch Probleme des Kindes ist. Dass es ok ist, wenn das Kind auch mal wütend ist, streitet oder ‚egoistisch‘ scheint. Es braucht kein schlechtes Gewissen haben, etwas Schönes zu unternehmen, fröhlich zu sein oder Spaß zu haben.

Beratungsstellen

Sie wünschen sich eine Beratung für Eltern zu diesem Thema?

In Berlin ist die Elternberatung von WINDSCHATTEN Berlin eine gute Anlaufstelle für Eltern.

Auch Erziehungsberatungstellen können ein guter Ansprechpartner sein. Diese finden Sie Deutschlandweit zum Beispiel über dieses Portal der BKE.

Tipp 3: Distanz bei Jugendlichen respektieren

Jugendliche reagiere häufiger als Kinder mit der Tendenz, sich zurückzuziehen. Auch verbringen einige viel mehr Zeit mit Freunden und außerhalb des Elternhauses. An sich ist das ein normaler Teil der Pubertät, sie entwickeln eine eigene Identität und lernen, sich vom Elternhaus abzulösen. Wenn nun ein Familienmitglied schwer krank ist, kann sich dieses Verhalten noch verstärken. Jugendliche sprechen über ihre Probleme vermehrt mit Freunden und weniger mit den Eltern.

Solange Ihr Kind kein gesundheitsgefährdendes Verhalten zeigt (zum Beispiel: hoher Alkoholkonsum, riskante Hobbies) versuchen Sie dieses Verhalten zu akzeptieren, auch wenn es schwerfällt. Machen Sie ungezwungen regelmäßige Gesprächsangebote und zeigen Sie sich ansprechbar. Wenn Sie sich Sorgen um Ihr jugendliches Kind machen, nutzen Sie Beratungsangebote, wie die kostenfreien Familien- und Erziehungsberatungsstellen vor Ort oder online.

Tipp 4: Kinder sollten nicht dauerhaft die Aufgaben von Erwachsenen übernehmen

Viele Kinder und Jugendliche erleben eine Krankheit eines Familienmitglieds als Kontrollverlust. Das Gefühl, nichts tun zu können damit die Krankheit verschwindet, kann für Kinder schwer auszuhalten sein. Einige Kinder übernehmen dann mit viel Stolz und Verantwortungsbewusstsein Aufgaben im Haushalt, kümmern sich um kleine Geschwister oder die erkrankte Person. Das ist insoweit in Ordnung, wenn es keine altersunangemessenen Aufgaben sind und das Kind nicht die Verantwortung für diese Aufgaben alleine trägt. Die Spülmaschine einräumen und einen Tee zubereiten ist ok, alleine dafür verantwortlich sein, dass die Wäsche gewaschen wird und Mittagessen auf dem Tisch steht eher nicht.

Je nach Krankheitsbild und Familienkonstellation ist es normal, dass Kinder und Jugendliche mithelfen. Manchmal lassen es die Lebensumstände gar nicht anders zu, als dass Jugendliche vergleichsweise viel Verantwortung für Aufgaben zu Hause übernehmen müssen. Studien haben herausgefunden, dass sich 13% aller Jugendlichen um ein krankes Familienmitglied und anfallende Aufgaben im Haushalt kümmern. Damit daraus keine dauerhafte Pflege-Verantwortung wird, ist es wichtig Kindern und Jugendlichen klar zu machen, dass es auch ohne sie geht und jede Hilfe freiwillig sein sollte. Zeigen Sie bei Bedarf ganz klar auf, welche Alternativen es gibt, damit Jugendliche nicht im Geheimen denken, dass es ohne sie nicht geht. Denn: zu viel Pflege-Verantwortung kann bei Kindern und Jugendliche psychische Belastungen auslösen und sich negativ auf ihr Sozialleben und Schule / Ausbildung auswirken.

Wenn Sie nicht wissen, wie Sie das Familienleben ohne die Hilfe Ihres Kindes organisieren sollen, lassen Sie sich am besten zu Unterstützungsangeboten  beraten! In Berlin finden Sie Hilfe und Beratung zu diesem Thema bei der Elternberatung von Windschatten und bei den Pflegestützpunkten Berlin. Bundesweit helfen Ihnen Pflegeberatungsstellen weiter.

Infobox Young Carer

Young Carer – also Kinder und Jugendliche, die sich um kranke oder behinderte Familienmitglieder kümmern – gibt es viele in Deutschland: 500 000 Young Carer kümmern sich um ein Familienmitglied. Dieses Mithelfen zu Hause ist normal, kann aber bei besonders vielen oder altersunangemessen Aufgaben auch eine Belastung sein.

Hilfe für Young Carer

Tipp 5: Finden Sie heraus, was Ihr Kind jetzt stärken kann

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche ganz unterschiedlich auf die Krankheit eines Familienmitglieds reagieren und auch die Auswirkungen unterscheiden sich von Kind zu Kind. Die psychosozialen Auswirkungen hängen beispielsweise sehr von den Merkmalen des Kindes und der Familie, der Freunde und des Umfelds ab. Für Kinder und Jugendliche mit kranken Angehörigen können folgende Merkmale beeinflussen, wie sich die Krankheit von Familienmitgliedern auf ihre Gesundheit auswirkt:

  • Sicherheitsgefühl: Versuchen Sie gemeinsam mit anderen Erwachsenen in der Familie dem Kind (wieder) Alltagsroutine und Stabilität zu geben. Dazu gehört auch eine gute Beziehung zu Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin
  • Bedeutung verlässlicher Erwachsener: Auch wenn Sie sich auf Grund der Krankheit erst Mal um sich selbst kümmern müssen; für Ihr Kind ist es wichtig eine andere, verlässliche und vertrauensvolle Person im Alltag zu haben.
  • psychische Gesundheit des Kindes: wenn es ihrem Kind psychisch und emotional vor der Krankheit gut ging und sie darauf achten können, dass es auch in Zukunft so ist, hat ihr Kind gute Chancen die Krankheit gut zu verarbeiten
  • Hilfenetzwerk: Freunde, Familie und Hilfsangebote können dabei helfen, dass ihr Familienalltag gut funktioniert und Sie alle Möglichkeiten haben, um Probleme zu meistern. So lernt auch Ihr Kind, sich bei Problemen Hilfe zu holen und nicht alles mit sich selbst auszumachen
  • altersgerechte Kindheit gestalten: Dazu gehört genug Zeit für Freunde und Schule, Auszeiten und Hobbies. Das bedeutet aber nicht, dass Sie die Krankheit und ihre Auswirkungen verstecken müssen.
  • Kontakte mit ähnlich Betroffenen: Jedes 5. Kind lebt mit einem chronisch kranken oder behinderten Familienmitglied zusammen. Es hilft Kindern zu wissen, dass sie damit nicht alleine sind. Im Kontakt zu anderen Kindern mit kranken Angehörigen können sich neue Freundschaften aufbauen, die Kindern viel Verständnis bringen.

Tipp 6: Nah dran sein, auch auf Distanz

Wenn Sie selbst erkrankt sind, verlangen manche Krankheiten von Ihnen viele Krankenhausaufenthalte oder den Besuch einer Reha – Einrichtung. Vielleicht begleiten Sie auch ein erkranktes Kinder oder anderen Familienmitglied oft bei den Klinikaufenthalten. Für Eltern und Kinder ist die Zeit der Trennung oft nicht einfach. Sie können aber (gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern) kleine Vorbereitungen treffen, damit die Zeit für Ihr Kind etwas einfacher wird. Beispielsweise:

  • Mama / Papa – Koffer: Packen Sie mit Ihrem Kind einen kleinen Koffer mit Dingen, die an Sie erinnern. Eine Haarspange, Ihr Lieblingsparfüm, ein Buch, dass Sie oft gemeinsam geschaut haben bauen eine gefühlte Nähe zwischen Ihnen und Ihrem Kind auf, selbst wenn Sie nicht vor Ort sind.
  • Video- und Sprachnachrichten: (Video-) Telefonate können im Krankenhaus oder der Reha schwer zu koordinieren sein und nicht immer hat man die Kraft gut gelaunt mit dem Kind zu sprechen. Kleine Video oder Sprachnachrichten, die Sie dann aufnehmen, wenn Sie die Kraft dafür haben, sind eine gute Alternative und Ihr Kind kann sie immer wieder anhören.

Leben Sie vor, dass Hilfe suchen und annehmen eine Stärke

Leben Sie vor, dass Hilfe suchen und annehmen eine Stärke ist und keine Schwäche. Man muss nicht alles alleine schaffen. Ihnen stehen kostenfreie Beratungsangebote zur Verfügung. Dort kann noch individueller auf Ihre Situation geschaut werden und wie Sie Ihr Kind gut durch diese schwierigen Zeiten begleiten können.
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